Chancenbericht

  • Wachstumspotenziale werden über die Planungsrechnung identifiziert.
  • Die strukturelle Veränderung des deutschen Werbemarkts birgt hohe Chancen, zudem verschaffen wir uns durch Portfolioerweiterungen Zugang zu neuen Märkten und Zielgruppen.

Chancenmanagement

Organisatorisch haben wir alle Voraussetzungen geschaffen, um eine transparente Darstellung und Handhabung der Risikosituation zu gewährleisten, Schadenspotenziale zu begrenzen und frühzeitig zu handeln. Um Chancen zu identifizieren und zu steuern, hat die ProSiebenSat.1 Group ebenfalls effektive Prozesse implementiert.

Das Management von Chancen ist in der ProSiebenSat.1 Group zentral organisiert und wird von der Abteilung „Strategy & Operations“ gesteuert. Die Abteilung steht in engem Kontakt mit den einzelnen operativen Einheiten; so erhält sie einen detaillierten Einblick in die Geschäftssituation. Zudem dienen Markt- und Wettbewerbsanalyen sowie der Erfahrungsaustausch mit externen Experten als wichtige Quellen, um weitere Wachstumsmöglichkeiten für die ProSiebenSat.1 Group zu identifizieren.

Das Chancenmanagement ist Bestandteil des unternehmensinternen Steuerungssystems. Die definierten Chancen werden im Strategieplan zusammengefasst und fließen im Rahmen der jährlichen Strategieklausur in den Planungsprozess ein. Dabei werden die relevanten Chancen priorisiert, konkrete Ziele abgeleitet sowie Maßnahmen und Ressourcen zur operativen Zielerreichung festgelegt.

Wachstumschancen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit wir als sehr hoch einstufen, haben wir bereits in unsere Ziele für 2016 bzw. in unsere mittelfristige Planung für 2018 aufgenommen. Weitere Informationen hierzu finden sich im Unternehmensausblick. Daneben existieren Chancen, die bislang nicht budgetiert sind und folglich zu einer positiven Prognose- bzw. Zielabweichung führen können. Diese können sich insbesondere aus einer Veränderung der Rahmenbedingungen oder unserer Marktposition ergeben. Zudem können strategische Entscheidungen zusätzliches Wachstum fördern, das bislang nicht bzw. nicht vollumfänglich budgetiert ist. Über diese zusätzlichen Wachstumspotenziale berichten wir nachfolgend.

Überblick Chancen und Potenziale

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Budgetierte Wachstumspotenziale

 

Zusätzliche Chancen

Entwicklung der Rahmenbedingungen

 

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TV hat sowohl im intermedialen als auch internationalen Vergleich ein Wachstumspotenzial; TV ergänzt sich synergetisch mit Online-Medien.

 

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Rahmenbedingungen oder Marktanteile verändern sich schneller oder günstiger als erwartet.

 

 

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Wachsende Verbreitung von Paid-Content-Modellen wie Video-on-Demand (VoD), HD-Nutzung steigt dynamisch.

 

 

 

 

Unternehmensstrategische Entscheidungen

 

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Wertschöpfung durch Diversifizierung und insbesondere den Ausbau des Ventures- & Commerce-Portfolios.

 

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Akquisitionen alleine oder mit strategischen Partnern.

 

 

 

   

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Erweiterung der Senderfamilie.

Zusätzliche Chancen aus der Entwicklung von Rahmenbedingungen

Eine wichtige Entscheidungsgrundlage der Werbekunden für die Budgetvergabe ist die Reichweite des Mediums TV und die Marktanteilsentwicklung der ProSiebenSat.1-Sender bei den Zuschauern. 2015 haben wir die Zuschauermarktanteile in allen deutschsprachigen TV-Märkten gesteigert und unsere führende Position im Kernmarkt Deutschland gestärkt. Der ProSiebenSat.1-Konzern verfolgt seit seiner Gründung im Jahr 2000 eine Mehrsenderstrategie und deckt heute nahezu alle demografischen Zielgruppen ab. Wir gehen daher davon aus, unsere Position weiter festigen zu können.

Das Investitionsverhalten der Werbewirtschaft wird zudem wesentlich durch externe Faktoren und vor allem durch makroökonomische Entwicklungen geprägt: Der Werbemarkt ist 2015 solide gewachsen. Niedrige Arbeitslosenzahlen und steigende Realeinkommen sorgten für positive Impulse beim privaten Konsum. Diese Faktoren haben wiederum die Investitionsbereitschaft der Werbewirtschaft unterstützt und das Preisniveau von TV-Werbung stimuliert. Die externen Rahmenbedingungen dürften sich auch perspektivisch positiv entwickeln, sodass wir unseren Budgetplanungen für den deutschen TV-Werbemarkt im Jahr 2016 erneut eine Wachstumsrate im niedrigen einstelligen Prozentbereich zu Grunde gelegt haben. Da unsere Zielerreichung eng mit der Entwicklung des TV-Werbemarkts korreliert, könnte eine Abweichung von dieser wichtigen Planungsprämisse unser profitables Wachstum signifikant beschleunigen.

Neben makroökonomischen Daten berücksichtigt die ProSiebenSat.1 Group bei ihren Kalkulationen strukturelle Entwicklungen: Im Zuge der Digitalisierung verlagern Werbetreibende ihre Budgets zunehmend von Print- zu Bewegtbild-Werbung. ProSiebenSat.1 hat in diesem Zusammenhang ein Marktpotenzial für TV-Werbetreibende von insgesamt 2,7 Mrd Euro netto identifiziert. Über Bewegtbild-Werbung im TV oder auf Online-Plattformen kann eine Marke stark emotional geprägt werden. Gemeinsam mit der multisensorischen Ansprache über Bild und Ton bleibt sie besser als etwa über Print-Werbung in Erinnerung. Den nachweislich höchsten und nachhaltigsten Return on Investment (ROI) hat Werbung im TV, da mittels Fernsehspots innerhalb kurzer Zeit eine sehr hohe Reichweite aufgebaut wird. Mit einer Nutzung von 46 Prozent ist TV das wichtigste Breitenmedium in Deutschland.

Als Werbemedium gewinnt Fernsehen kontinuierlich an Relevanz, TV kapitalisiert seine Reichweite aber bislang nicht vollumfänglich: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 34 Prozent der Werbebudgets in Printmedien investiert, obwohl nur sechs Prozent der gesamten Mediennutzungszeit auf Print entfallen. Das Investitionsvolumen von TV-Werbung beläuft sich — basierend auf Daten von Magna Global — auf nur 23 Prozent. In zahlreichen anderen Ländern ist die Budgetverteilung umgekehrt; in den USA entfällt beispielsweise bereits heute der Großteil der Werbeinvestition auf TV. In Deutschland zeichnet sich eine vergleichbare Strukturveränderung wie in den USA ab. Laut Nielsen Media Research hat TV seinen Werbemarktanteil in den letzten fünf Jahren brutto um 4,1 Prozentpunkte gesteigert, Print hat 7,7 Prozentpunkte verloren. Gleichzeitig ist der Anteil von Werbung in digitalen Medien mit rund 30 Prozent in Deutschland bereits heute ähnlich hoch wie in den USA. Gleichwohl hat TV als Werbemedium ein hohes Aufholpotenzial. Nationale Besonderheiten wie die hohe Reichweite von Free-TV in Deutschland stärken die Relevanz der Gattung Fernsehen zusätzlich.

Wir gehen davon aus, dass aus einem Werbemarktanteilsgewinn von einem Prozentpunkt für TV ein Anstieg der ProSiebenSat.1-Werbeumsätze um 60 Mio Euro netto resultieren könnte. Diese Wachstumschancen nutzen wir aktiv und haben auch im vergangenen Jahr zahlreiche Neukunden für das Medium TV gewonnen (2015: 139). Der Konzern führt umfassende Marktforschungsstudien durch und analysiert insbesondere, welche Programmumfelder für Print-Werbekunden im Fernsehmarkt bislang unbesetzt sind. Im Zuge dessen hat ProSiebenSat.1 das TV-Portfolio um zielgruppenspezifische Sender wie sixx, SAT.1 Gold oder ProSieben MAXX erweitert. Diese Mehrsenderstrategie wird ProSiebenSat.1 auch künftig fortführen: Für Herbst 2016 ist der Start eines reinen Free-TV-Dokusenders geplant, der Dokumentationen und Reportagen zu vielfältigen Themen ausstrahlen wird. Dabei adressiert der Sender insbesondere ältere männliche Zuschauer, die sich für Geschichte, Politik, Natur und Technik interessieren.

Ein weiterer wichtiger Stellhebel, um neue Werbekunden und insbesondere Unternehmen zu akquirieren, die bislang vor allem auf Printmedien gesetzt haben, sind Modelle für regional ausgestrahlte TV-Spots und individualisierte Werbung — sogenanntes Addressable TV. Die technische Möglichkeit für die regionale Aussteuerung von TV-Werbung liefert „Hybrid Broadcast Broadband TV“ (HbbTV). Die Verfügbarkeit des technologischen Standards entwickelt sich dynamisch. In Deutschland wurden laut GfK seit 2011 über 16 Mio HbbTV-fähige Fernsehgeräte verkauft, mittelfristig soll die Zahl auf über 25 Mio steigen. Die Qualität der TV-Systeme hat sich durch die Integration von Internetfunktionen weiterentwickelt und dem Werbemarkt neue Möglichkeiten zur Kundenansprache etwa über HbbTV eröffnet. Neben erweiterten Möglichkeiten für eine exaktere Zielgruppenansprache verbindet HbbTV die Vorteile des Fernsehens mit den interaktiven Möglichkeiten des Internets: Der Zuschauer kann die beworbenen Produkte direkt via Fernbedienung bestellen. Großflächige HD-Bildschirme tragen ebenfalls dazu bei, dass TV weiter an Attraktivität gewinnt. Die Anzahl der HD-Haushalte steigt kontinuierlich. Für das Jahr 2018 rechnet ProSiebenSat.1 mit rund neun Mio Haushalten, die für ein HD-Programmpaket bezahlen. Sollte die HD-Verbreitung schneller als derzeit angenommen wachsen, würde sich dies positiv auf unsere prognostizierte Zielerreichung auswirken: Bis 2018 wollen wir den Konzernumsatz um insgesamt 1,85 Mrd Euro auf 4,2 Mrd Euro steigern; rund 155 Mio Euro Umsatz sollen dabei aus der Distribution und insbesondere aus der HD-Verbreitung stammen. Unsere Reichweite erweitern wir dabei zum einen über Kooperationsverträge mit Distributoren; zum anderen über zusätzliche Plattformen und Verwertungsformen für unsere Inhalte.

Neue Distributionsmodelle wie die Verbreitung von Programmen über die HD+-Plattform bieten uns substanzielle Wachstumsmöglichkeiten, da wir hier wiederkehrende und konjunkturunabhängige Erlöse generieren. Das Unternehmen partizipiert seit 2011 an der technischen Bereitstellungsgebühr, die Zuschauer an Distributoren für Fernsehen in HD-Qualität bezahlen. Parallel wächst die Bereitschaft, für attraktive Zusatzangebote wie Video-on-Demand (VoD) (VoD) zu bezahlen. Die Zahl der Pay-VoD-Abonnements soll bis 2018 um 140 Prozent steigen; dies würde auch das Marktvolumen auf 575 Mio Euro erhöhen. Begünstigt wird dieser Trend durch Breitband-Internetzugänge mit hoher Datenübertragung und die steigende Nutzung mobiler Endgeräte. Bereits heute sind knapp 80 Prozent der Deutschen online, 65 Prozent verfügen über ein Smartphone.

Die beschriebenen Rahmendaten zeichnen insgesamt ein positives Bild. Sollten sich die relevanten Marktbedingungen oder unsere Wettbewerbsposition günstiger als erwartet entwickeln, könnte dies das Wachstum der Gruppe zusätzlich stimulieren. Der Konzern ist der führende Bewegtbild-Vermarkter für TV- und Online-Werbung in Deutschland und hat mit maxdome auch im Bereich VoD ein attraktives Angebot etabliert. ProSiebenSat.1 verfolgt künftig in allen Wachstumsbereichen strategische Maßnahmen, um die digitale Entwicklung aktiv voranzutreiben und seine Marktposition auszubauen. 2015 hat der ProSiebenSat.1-Konzern erste Kunden für regionale Werbung über HbbTV gewonnen und seine Reichweite über Plattformen wie die 7TV App gestärkt; wichtige Schritte waren zudem die Akquisitionen von SMARTSTREAM.TV und Virtual Minds. Die Unternehmen sind Vorreiter im Bereich digitale Werbetechnologie: SMARTSTREAM.TV für den Bereich digitale Video-Werbeprodukte, Virtual Minds verfügt über ein AdTech Ecosystem zur automatisierten Realtime-Auslieferung von digitalem Werbeinventar. Damit haben wir einen Grundstein für die automatisierte, datengetriebene Display- und Video-Vermarktung in Deutschland gelegt.

Chancen birgt zudem das regulatorische Umfeld; zusätzliche Umsatzquellen könnten sich etwa aus einer Reduzierung von Werbung bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern ergeben. Durch eine Änderung im Rundfunkstaatsvertrag trat Anfang 2013 bereits ein Sponsoring-Verbot in Kraft, das an Werktagen nach 20.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit Ausnahme von großen Sportereignissen gilt. Die Rundfunkkommission der Länder verhandelt vor dem Hintergrund der Gebührenentwicklung derzeit über weitere Anpassungen. Dabei soll auch über die Frage eines generellen Werbeverbots sowie weitere strukturelle Modifikationen entschieden werden. Das zusätzliche Marktvolumen aus einem Werbeverzicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnte sich für die privaten Anbieter auf bis zu 300 Mio Euro jährlich belaufen.

Zusätzliche Chancen aus unternehmensstrategischen Entscheidungen

Die digitale Transformation prägt die Medienbranche wie kaum eine andere Industrie. Die Empfangsmöglichkeiten von Fernsehen sind heute weitaus vielfältiger als noch vor einigen Jahren, Fernsehen findet auf unterschiedlichen Screens statt. Zugleich verändern Second Screens wie Tablets und Smartphones das Konsumverhalten: Immer mehr Menschen bestellen Produkte online, während sie fernsehen. Angeregt durch TV-Werbung hat zwischenzeitlich fast die Hälfte aller Deutschen schon einmal direkt im Internet ein Produkt gekauft. Der Impuls von TV in Richtung Online-Suchanfrage fiel vor allem bei solchen Marken hoch aus, die über einen eigenen Internet-Shop verfügen. Aus diesem Grund verlagern E-Commerce-Unternehmen immer häufiger ihre Werbebudgets von Online ins TV.

Der E-Commerce-Markt wächst dynamisch und hat ein hohes Potenzial; in Deutschland werden für Einkäufe über das Netz jährlich rund 1.200 Euro pro Online Shopper ausgegeben. Die ProSiebenSat.1 Group erweitert ihr Portfolio deshalb gezielt um E-Commerce-Firmen und hat verschiedene Branchen als strategisch relevant identifiziert. Dabei verfolgt der Konzern unterschiedliche M&A-Ansätze. Zentrale Investitionskriterien sind neben Rentabilitätsaussichten mögliche Synergieeffekte. Synergien basieren zum einen auf der Möglichkeit, Ressourcen effizient zu bündeln. Zum anderen realisiert ProSiebenSat.1 Wertsteigerungen, indem der Konzern Beteiligungen auswählt, deren Produkte sich besonders gut über TV vermarkten lassen und eine möglichst hohe Vernetzbarkeit mit dem bestehenden Digitalportfolio erlauben.

Während ProSiebenSat.1 in den vergangenen Jahren primär über kleinere Beteiligungen oder über die Geschäftsmodelle Media-for-Equity bzw. Media-for-Revenue-Share das Portfolio expandierte, hat der Konzern 2015 größere Akquisitionen getätigt. Ein Beispiel hierfür ist der Erwerb von etraveli. Ziel der Transaktion ist, das Travel Vertical international auszubauen. ProSiebenSat.1 sieht in diesem Sektor eine große Wachstumsperspektive; allein der Online-Reisemarkt für Flugreisen verfügte 2015 über ein Volumen von neun Mrd Euro. Dabei adressieren Internet-Reiseangebote ein breites Publikum und bieten sich infolge ihrer Themenwelt für die Vermarktung über Bewegtbild-Werbung besonders an. Dies ist ein wichtiger Grundpfeiler der M&A-Strategie des Konzerns: Durch TV- und Online-Werbung kann ProSiebenSat.1 den Bekanntheitsgrad von Marken und damit das Umsatzwachstum der jeweiligen Unternehmen bei relativ geringen Kosten und ohne hohe Cash-Investitionen schnell steigern.

Diesen Wettbewerbsvorteil wird der Konzern auch künftig für die Erweiterung und Internationalisierung seines Portfolios nutzen. Konsolidierungseffekte aus M&A-Maßnahmen sind in materiellem Umfang im Budget erst nach Abschluss einer Transaktion erfasst und bergen folglich ein hohes zusätzliches Potenzial. Für 2016 hat der Konzern bereits ein profitables Umsatzwachstum von über 200 Mio Euro in Zusammenhang mit der Erweiterung des Konsolidierungskreises budgetiert. Neben etraveli wird sich vor allem die Vollkonsolidierung von Verivox positiv auf unsere Umsatzentwicklung auswirken. Unsere Wachstumsziele bis 2018 schließen die zuletzt getätigten Mehrheitsbeteiligungen ebenfalls mit ein; weitere größere Akquisitionen würden folglich zusätzliche Chancen bergen. Der ProSiebenSat.1-Konzern hat seine mittelfristigen Wachstumsziele seit 2011 nicht nur erreicht, sondern mehrfach übertroffen. Zuletzt hat das Unternehmen seine 2018er-Ziele im Herbst 2015 angehoben; ProSiebenSat.1 ist in allen Segmenten schneller bzw. deutlicher gewachsen als zunächst erwartet.